Ampel muss Kehrtwende einlegen – „Keine Goldgräberstimmung“ in der Rüstungsindustrie (2024)

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Von: Lars-Eric Nievelstein

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Die Verteidigungsindustrie warnt, das NATO-Ziel nicht einhalten zu können. Es fehlen Milliarden. Ein Rüstungsunternehmen fordert die Kehrtwende.

Augsburg – Die neuen Haushaltspläne der Ampel-Koalition sorgen für heftige Kritik. Unter anderem will die Regierung deutliche Einsparungen beim Bürgergeld und bei der Entwicklungshilfe vornehmen. Gleichzeitig fehlen Milliarden im Bundeswehrhaushalt, wie der zuständige Minister Boris Pistorius (SPD) der Ampel klarzumachen versucht. In Augsburg trafen sich jüngst führende Köpfe der Wirtschaft, um eine Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik zu besprechen – und gingen ebenfalls mit der Regierung ins Gericht.

„Faktor Zeit ist extrem wichtig“ – Rüstungsindustrie kämpft mit großen Verzögerungen

Seitdem der Ukraine-Krieg den Hochrüstungswillen der westlichen Länder befeuert, hatten Unternehmen der Rüstungsindustrie deutliche Gewinne zu verzeichnen. Trotzdem sei es keinesfalls so, dass eine „Goldgräberstimmung“ herrsche, erklärte Thomas Malenke, Leiter Battlefield & German Portfolio beim Rüstungskonzern MBDA, am 12. Juli auf dem Bayerischen Wirtschaftstag.

Ampel muss Kehrtwende einlegen – „Keine Goldgräberstimmung“ in der Rüstungsindustrie (1)

MBDA produziert unter anderem Lenkflugkörper und Verteidigungssysteme – sich selbst bezeichnet der Konzern als „weltweit führend“, was komplexe Waffensysteme angeht. „Die Schwierigkeit ist, dass wir natürlich der Ukraine, so gut wie es geht, schnell helfen wollen.“ Schnelligkeit in der Umsetzung der Projekte ist laut Malenke das „große Credo“ innerhalb der Verteidigungsindustrie.

Aktuell gehe es mit den einzelnen Projekten zu langsam. Bei Angeboten dauere es regelmäßig ein Jahr, bis sie überhaupt in der Verhandlungsphase landen, anschließend müssen diese noch juristisch geprüft und endverhandelt werden. „Und dann haben wir noch nicht mit dem Bau der jeweiligen Units begonnen“, bemängelte Malenke in der Augsburger Messe. Zwar könne MBDA investieren, aber nicht in Millionenhöhe und „über ein Jahr lang“. Der MBDA-Experte forderte einen Abbau von Bürokratie und von „intensiver juristischer Begutachtung“. Das werde keine Qualitätsminderung bedeuten, versicherte er. Allerdings sei der Faktor Zeit „extrem wichtig“.

„Sehr gute Beispiele für Kooperation“ – Rüstungsindustrie braucht Grundlast der Fertigung

Auf Anfrage von IPPEN.Media teilte Thomas Malenke von MBDA mit, dass außerdem die Planbarkeit für die Rüstungsindustrie essenziell sei. „Sicherheit der Lieferketten, Verfügbarkeit von Roh- und Grundstoffen sowie Komponenten ist der entscheidende Faktor, um Produktionskapazitäten auszubauen bzw. vorzuhalten.“ Es gebe „sehr gute“ Beispiele für europäische Kooperation – etwa bei der gemeinsamen Beschaffung von PATRIOT-Flugkörpern – allerdings dürfe die Produktion keinesfalls gestoppt werden, falls mal die Nachfrage sinke.

„Dann dauert es nämlich sehr lang, bis die Lieferkette wieder eingerichtet ist“, erklärte Malenke. Eine „gewisse Grundlast der Fertigungslinie“ müsse unbedingt aufrechterhalten werden. Dann könnte die Rüstungsindustrie die Produktion bei Bedarf schnell wieder hochfahren.

„Eine langfristig gesicherte Finanzierung ist das A&O, um die Bundeswehr entsprechend der Sicherheitsanforderungen unseres Landes auszustatten. Nur so wird die Bundeswehr in den nächsten 5-10 Jahren in der Lagesein, ihren neuen Aufgaben gerecht zu werden“, sagte der Rüstungsexperte hinsichtlich der aktuell zum Beispiel von Boris Pistorius bemängelten Lücken im Verteidigungsetat.

Verteidigungsindustrie zeigt sich unzufrieden mit Haushaltsplänen – Etat „eingefroren“

Zuletzt hatte sich die deutsche Verteidigungsindustrie auch insgesamt wenig begeistert von den veröffentlichten Haushaltsplänen der Ampel-Koalition gezeigt. Im Juni hatten die Spitzen der Branche ein entsprechendes Paper unterzeichnet – unter anderem befand sich Armin Papperger vom Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. in der Riege der Unterzeichner. Die Veröffentlichung der Einigung für den Haushalt 2025 habe daran nichts verändert. Kernpunkte des Papers habe nach wie vor Geltung.

Ampel muss Kehrtwende einlegen – „Keine Goldgräberstimmung“ in der Rüstungsindustrie (2)

Unter anderem hatte die Verteidigungsindustrie gewarnt, dass Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der NATO nicht langfristig einhalten könne, solange keine zusätzlichen Investments stattfänden. „Spätestens in 2027 wird dieses Sondervermögen aufgebraucht sein“, hieß es in der entsprechenden Mitteilung. Die Bundesregierung habe öfters versprochen, das NATO-Ziel einhalten zu wollen, aber „die amtliche Haushaltsplanung“ spreche eine andere Sprache. Für die kommenden Jahre sei der Etat des Bundesverteidigungsministeriums konstant bei 52 Milliarden Euro „eingefroren“ – das lege die mittelfristige Finanzplanung der Regierung fest. Die Haushaltsplanung müsse der Bundeswehr die entsprechenden Mittel zuweisen, um den Bedarf zu decken.

Kooperationen in der Verteidigungsindustrie – MBDA schafft neue Kapazitäten

MBDA hatte jüngst zwei größere Verträge für neue Waffensysteme unterschrieben. Eine Bundeswehr-Kooperation zielt dabei auf die Herstellung und Lieferung sogenannter Brimstone 3 Luft-Boden-Lenkflugkörper ab, die das Kampfflugzeug Eurofighter verwenden soll. Dafür soll extra eine entsprechende Endmontagelinie entstehen. „Die Beschaffung von Brimstone 3 ist ein entscheidender Beitrag zur Harmonisierung der Bewaffnungen in Europa sowie der Munitionsbevorratung der Bundeswehr. Die neue Produktionslinie ist die erste ihrer Art außerhalb Großbritanniens“, sagte Eric Béranger, Chief Executive Officer von MBDA, dazu.

Außerdem stellt MBDA gemeinsam mit Raytheon neue Patriot GEM-T Flugkörper her. Dazu hatte COMLOG, das Joint Venture von Raytheon und MBDA, einen Vertrag mit der NATO Support and Procurement Agency (NSPA) unterschrieben. Auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung Anfang Juni hatten die Unternehmen den Fortschritt des Projekts vorgestellt. Die Patriot-Raketen sind eine der wichtigsten Verteidigungsmaßnahmen, die Europa aktuell der Ukraine zur Verfügung stellt.

Thomas Gottschild, Geschäftsführer MBDA Deutschland, sagte dazu: „Die neuen Produktionskapazitäten, die wir gerade an unserem Stammsitz aufbauen, verbessern die Versorgungssicherheit und tragen dazu bei, die Bestände an Patriot Flugkörpern aufzufüllen.“

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